Mittwoch, 24. Juli 2013

Pazifik

Ich kann die Wochen schon abzaehlen. 4,3,2,.....1! Die Zeit rennt, bald bin ich wieder da. In diesem Eintrag moechte ich ueber meine letzte grosse Reise an den Kolumbianischen Pazifik berichten.

Nach dem Umbruch auf Arbeit, waren auch wir ziemlich deprimiert, alles ging drunter und drueber und wir hatten auch keine wirklichen Aufgaben mehr. Gluecklicherweise bekamen wir zum darauffolgendem verlaengertem Wochenende noch ein paar Tage dazugeschenkt, sodass wir unsere letzte grosse Reise zum Pazifik doch noch unternehmen konnten. Viele warnten uns, es solle dort immernoch sehr gefährlich sein. Doch wie fast ueberall in Kolumbien hat sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren erheblich verbessert.

Wir, also Joana und ich, fuhren mit unserem Gepaeck zum Busbahnhof (hier: Terminal de Transporte) und suchten nach einem Busunternehmen, das nach BUENAVENTURA faehrt. Das funktioniert so: Wenn man das richtige Eingangs-Portal endlich gefunden hat (sortiert nach Abfahrt in Himmelsrichtungen) sucht man an den Schaltern der Busunternehmen an den Blinkschildern nach ihren Zielen. Da es immer mehrere Unternehmen gibt, die zum gleichen Ziel fahren, aber unterschiedliche Fahrtzeiten und Preise haben, lohnt es sich immer, sich bei allen vorher zu erkundigen. An diesem Abend war der Terminal sehr voll und so mussten  nicht nur wir ewig an den Schaltern anstehen, nur um zu fragen, ob sie nach Buenaventura fahren und wenn ja, wann und wie viel es kostet. Das hat uns eine Stunde gekostet. Ich haette da eine effizientere Variante: Warum stellen die Unternehmen nicht einfach Schilder auf oder haengen wenigstens einen Zettel hin wo drauf steht, wohin sie fahren, zu welchen Uhrzeiten und wie viel es kostet. Das wuerde einiges an Zeit und Nerven ersparen. Aber warum auch so unkomliziert, wenn nicht ein bisschen Abenteuer auch gut tut?!
Das Ende der Geschichte war dann, dass wir die Direktbusse schon alle verpasst hatten und uns dann ein Ticket fuer den naechsten Tag gekauft haben.
Am naechsten Tag sitzen wir im vollen Bus mit Afrokolumbianern und ich falle ganz schoen auf. Dann ging das Gegacker los. Normalerweise bin ich verwoehnt von der Freundlichkeit und Hoeflichkeit der Bogotanos (hier auch genannt "Rolos"), aber hier wurde um jeden Sitzplatz gekaempft. Es herrschte eindeutig eine andere Mentalitaet. Als der Busfahrer in das Chaos endlich Ordnung bringen wollte, wurde er ausgelacht, es wurde gestoehnt und geschimpft aber eben auch so herzlich gelacht, weil aufgrund dieses Versuches scheinbar nochmehr Chaos herrschte. Wir mussten dreimal unseren Platz wechseln, aber endlich hatte dann auch alles halbwegs seine Ordnung.
Nach 12 Stunden Fahrt, stiegen wir aus und liefen zum Hafen, wo wir uns ein Ticket fuer das Motorboot gekauft haben. Vorher noch schnell einkaufen, dachten wir uns. Aber auch der Einkauf war noch chaotischer wie die Busfahrt. Koerbe voller Kochbahnen, Saecke voller Reis, Schlangen bis ans Ladenende, nörgelnde Kindern an den Rockzipfeln ihrer Muetter, Gedraengel, Afrokolumbianer und dazwischen wir Monos. Joana will Geld abheben. Zwei Maenner mit jeweils einem Stapel Kreditkarten in der Hand entschuldigen sich bei ihr, dass es jetzt ein bisschen laenger dauern koennte. Meine Guete unsere Nerven lagen fast blank. Aber nur fast. Immerhin waren wir ja im Urlaub und das machte uns sehr gluecklich. Nach einer halben Ewigkeit hatten wir alle sieben Sachen zusammen und stiegen mit 40 anderen kolumbianischen Touristen in das Schnellboot und los ging die 40 minuetige Fahrt auf dem Ozean, vorbei an Felshaengen, verlassenen Inseln mit viel Gruen, Wasserfaellen und mystischen Hoehlen. Unser Ziel war ein anderes. Es lag auf einer Halbinsel, die man nur mit einem Boot erreichen konnte. In JUANCHACO stiegen wir aus und wurden sofort von duzenden Einheimischen belagert, die uns mit dem Gepaeck helfen wollten und uns durchs Dorf fuehren wollten. Wir fuhren mit einem Traktor ins naechste Dorf und liefen von da aus in bruetender Mittagshitze eine Stunde durch Matsch zu unserem Ziel: LA BARRA. Ein Dorf, wie es doerflicher nicht sein kann. Direkt am Meer, Holzhuettchen auf Stelzen, Fischrestaurants, zwei kleine Laedchen, ein Kindergarten und eine Kirche. Das war`s. La Barra, das steht in fast keinem Touristenguide, schon gar nicht in einem fuer Auslaender. Mehr war dies ein Insidertipp von einer lieben Mitfreiwilligen. Man muss dazu sagen, dass Pazifik natuerlich was ganz anderes ist als Atlantik, bzw. Karibik, wie in meinem Winterurlaub. Der Sand ist schwarz, das Wasser ist grau und es gibt Ebbe und Flut. Hoert sich nicht so verlockend an. Ist es aber doch! Es hat seinen ganz eigenen Charme und der ist wunderbar.
Im Dorf kennt sich jeder. Wir suchen eine Unterkunft, ein netter Herr hilft uns dabei und fuehrt uns quasi in den Haeusern seiner Freunde herum. Es kommen uns Fledermaeuse entgegengeflogen. Im anderen Haus ist es uns zu dunkel, im anderen gibt es kein Moskitonetz, das andere hat keine Dusche.....man, man, man, diese anspruchsvollen Touristen aber auch immer. Wir finden schliesslich ein hohes Stelzenhaus nur aus Holz. In unserem Zimmer steht ein Doppelbett. Die Dusche ist auf Bauchnabelhoehe und der Vorhang ist nur noch ein Fetzen und weht staendig weg. Das Wasser fliesst durch ein Loch im Boden einfach 2 Meter runter in die Erde. Man kann sich draussen auf den Boden setzen und ueber Palmen und Bananstauden aufs Meer schauen. Wir sind gluecklich.

Unser Zimmerchen











Krebsinvasion


Picina natural-mitten im Dschungel


Dorfstrasse





Kindergarten



Ladrilleros


Es regnet viel, wir gehen spazieren am Strand, essen Fisch, lesen, baden und fahren mit der Lancha, ein kleines Kanu, durch Mangrovenwaelder und besuchen eine Suesswasserquelle, die mitten im Urwald liegt und in dem man in einem Becken auch baden kann. Begleitet werden wir staendig von den kleinen Kindern, die sich um einen ringen und uns schon morgens vor unser Tuer auflauern, um im Bett zu kuscheln, zu spielen und mit uns fruehstuecken. Die Bevoelkerung ist sehr arm, sie lebt von dem bisschen Tourismus, sonst ist alles provisorisch, auch die aerztliche Versorgung ist schlecht und viele Kinder sind schlecht ernaehrt oder haben Wunden, die nicht abheilen. Sie begleiten ihre Eltern beim fischen, Bananen ernten oder laufen einfach mit ihren Freunden oder den Touristen am Strand entlang.  Am Abend gehe ich in die Kirche, ein kleines Holzhuettchen. Es gibt keine Orgel, dafuer ein junger Herr, der am Schlagzeug sitzt und eingaengige Rhythmen spielt. Die 15 Besucher singen lautstark gospelartige Lieder dazu, klatschen und tanzen. Spaeter in der Nacht gibt es Lagerfeuer, trommeln, singen und Mondgucken. Herrlich!
Ich fuehlte mich irgendwie aufgenommen, wie in einer grossen Familie, irgendwie aber auch total fremd. Eine faszinierende Lebensweise, wenn auch so unterschiedlich zu der meinen. Es ist schwer Zugang zu der Bevoelkerung zu bekommen, ausser zu den Kindern. Wer bin ich fuer sie? Ich habe einen Stempel auf der Stirn: Blonde Touristin, hat Geld, kommt von weit weg. Ich fuehle mich irgendwie auch wie ein Eindringling. Sind sie froh ueber die Menschen, die in ihr Dorf kommen? Oder sollten wir lieber solche Gegenden respektieren, und ein Dorf Dorf sein lassen um Kultur zu bewahren?

Nach vier Tagen verlassen wir das Dorf und fahren mit dem Boot ein Dorf zurueck, welches schon ein bisschen groesser ist. LADRILLEROS. Eine Nacht verbringen wir dort. Wir baden im schmutzigen Wasser von der Ebbe, dafuer ist der Strand sehr beeindruckend. Ein riesige Hoehle, in die man reingehen kann und von der Suesswasser tropft, eine natuerliche Dusche sozusagen, dunkle Felshaenge, darueber ragen gruene Pflanzen. Am naechsten Tag nehmen wir unser Motorboot zurueck nach BUENAVENTURA und von dort aus den Nachtbus nach BOGOTÁ. Zuhause. Es ist schoen, auch wieder zurückzukommen. Und so wird es auch in vier Wochen sein.


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