Sonntag, 21. Oktober 2012

Zwischen Kolonialstaedtchen und Pachamama!

Klar bin ich jetzt schon eine Weile hier, aber komischerweise bin ich noch gar nicht richtig angekommen hier in Kolumbien. Grossstaedte sind eben doch nicht das ganze Land, sondern haben eher andere Funktionen. Ob man in Tokyo, Kapstadt oder Sydney ist: Staedte haben ihr eigenes Flair, aber widerspiegeln nicht unbedingt das Land. Richtig realisiere ich, dass ich in Kolumbien bin, erst, sobald ich aus Bogotá rauskomme und etwas von Land und Leuten sehe. Wenn sich die atemberaubende Natur vor einem aufbaut, die Pachamama, ein Wort von den Voelkern der Anden, was soviel heisst wie Mutter Erde und mir bewusst macht, dass ich wirklich ganz woanders bin und mir ein Gefuehl von Natur vermittelt, dass ich so noch nie erlebt habe. Wenn sich Berge in unendliche Weiten aufbauen, das saftige Gruen ein Gefuehl von Frische und Energie gibt und wenn man sich gar nicht traut zu atmen, wenn die Kraft des Wasserfalls einen ins Gesicht schlaegt...
Aber eins nach dem anderen..
Das letzte Wochenende war ein verlaengertes. Der Montag war frei und so nahmen wir die Einladung von Augusto (den haben wir bei einer Fiesta in Bogota in der Candelaria in einem wunderschoenen privaten Kolonialhaus kennengelernt) an, ihn nach San Gil zu begleiten an. San Gil erreicht man nach einer ca. 7- stuendigen Busfahrt, die wir in der Nacht bei eisiger Kaelte (die Klimaanlage lief auf Hochtouren...) zuruecklegten. Wir entflohen dem regnerischen Bogota in eine angenehm warme Klimazone. Ich gebe zu, es war ganz schoen heikel mit Augusto, einem Freund und noch einer Freundin zu fahren, weil jeder ja eine andere Vorstellung von "Urlaub" hat und wir uns gerade einmal von einem Abend kannten. Aber wir selbst waren ja auch zu viert und so haetten wir uns ja auch abseilen koennen, waeren diese Vorstellungen komplett unterschiedlich gewesen. -Das waren sie aber nicht. Ganz und gar nicht. Und so genossen wir 3 wunderschoene Tage zwischen Kolonialdoerfchen und Natur. 

Nachdem wir die restlich verbleibenden Stunden der Nacht noch ein bisschen im Hostel schliefen, fuhren wir gleich am naechsten Tag vormittags zu den Cascadas Juan Curi. Von dort aus wanderten wir ca. eine halbe Stunde zu den 180 m hohen Wasserfaellen, wo wir mit Lust und Laune badeten und das atemberaubende Gefuehl der Kraefte des herabschiessenden Wassers genossen.















Unser Hostel war sehr schoen und direkt an der Plaza gelegen. Noch am gleichen Abend gingen wir mit Leuten aus dem Hostel Tejo spielen. Das ist die typisch kolumbianische Nationalsportart.  Wir kamen in eine grosse Halle, wo die Behaelter mit knete-oder tonaehnlicher Masse jeweils an den beiden Seiten aufgebaut waren. Beim Spiel versucht man, mit einer eisernen diskusfoermigen Scheibe, den Tejo, in diesen Behaelter aus weiter Entfernung zu werfen und die darin steckenden Schwarzpulvertaschen, die Mechas, zu treffen und zum explodieren zu bringen. Dabei trinkt man Bier und feuert seine Manschaft an. Ein sehr eigenartiges aber witziges Spiel, nur dass es keiner von uns geschafft hat eine der Taschen zu treffen, bis wir irgendwann so dicht rangegangen sind, dass ich es dann doch irgendwann geschafft habe, sogar 3 von ihnen gleichzeitig explodieren zu lassen und der Knall ganz schoen heftig war.

Die Tejo-Halle

Der Mann erklaert uns das Spiel...
Das Chaos danach

Am Sonntag entschlossen wir uns zum Wasser-Rafting. Unsere Gruppe war gross genug, um eine eigene Mannschaft zu bilden. Eine kurze Erklaerung und los gehts! Zu allererst wurden wir alle nass gespritzt. Die Flussstrecke war relativ ruhig, manchmal ein starker Strudel, ich glaube ganz gut fuer Anfaenger jedenfalls. Irgendwann entschlossen wir uns, zu kentern. Eva und ich trieben aber gleich flussabwaerts, waehrenddessen die anderen der Gruppe wieder versuchten aufs Boot zu kommen. Wie beide wurden als Schiffsbruechige von einem anderen Boot, das gerade vorbei kam, herzlich aufgenommen. Aber wir nutzen das Angebot und sind gleich noch mal ins Wasser gesprungen, weil man sich hier ohne Bedenken von der Stroemung treiben lassen konnte, vorbei am dschungelartigen Ufern und einer Kuhherde. Das war sehr idyllisch und ein schoenes Gefuehl sich vom Rio Fonce tragen zu lassen.







Nachdem unsere Sachen beim Essen halbwegs getrocknet waren, gingen wir in den "Parque El Gallineral" mit seinen vielen "chiminangos", Baeume, die ueber und ueber mit Greisenbart (tillandsia) bedeckt sind. Man wandelt an ihnen vorbei, an Orchideen und an kleinen Fluessen wie in einem Maerchen.














 Am Montag fuhren wir nach Barichara, eines der schoensten Kolonialdoerfer Kolumbiens. Haeuser weiss verputzt, ziegelgedeckten Daechern und mit Natursteinen ausgelegten Gassen, direkt an einer Abbruchkante ueber dem Canyon des Rio Suárez, von dem man eine wunderbare Aussicht hat.



















Wir verweilten gar nicht allzu lange in diesem schoenem Staedtchen, denn wir hatten noch etwas anderes vor. Es fuehrte von Barichara ein Weg nach Guane, ein anderes kleines Bergdorf, das wir besuchen wollten. Man sagt uns, dass der Weg in einer guten drei viertel Stunde zu schaffen ist. Und so wanderten wir mit Frohsinn in der prallen Mittagssonne los. Nun ja, wie sich herausstellte, kamen wir erst nach 3 Stunden an. Das war aber alles andere als schlimm, denn es war mit Abstand die schoenste Wanderung. Mitten irgendwo im Nirgendwo, keine Strassen, keine Haeuser, keine Menschen. Erst eine Stunde vor Ankunft kamen wir an einer scheinbar verlassenen Finca vorbei. Vorn am Eingang stand aber, dass es hier Bier und Wasser gab. Nach einigen Rufen erschien doch eine alte Frau, die uns freundlich willkommen hiess. Ein wahres Paradies. Eine kleine Familie mit mehreren Generationen sassen dort zusammen und taten...irgendwie nichts...wir schauten uns alles an, tranken Bierchen und wurden sogar zum hauseigenen "Aussichtspunkt" geleitet (ein grosser Stein, auf dem man raufklettern musste). Was wir dort sahen, kann wohl nur ein guter Poet beschreiben und auch keine Kamera festhalten. Unendliche Weiten der Anden bauten sich vor uns auf.



Auf gehts!



Huch, grosse, weisse Wegbegleiter...

Die Finca






Auf dem Aussichtspunkt




Kurz vor Sonnenuntergang waren auch wir endlich in Guane angekommen. Ein wirklich sehr kleiner Ort, in dem sich seit den letzten hundert Jahren nichts veraendert zu haben scheint. Es war als wuesste das ganze Dorf von unserem Besuch: Leute kamen aus ihren Haeusern, begruessten uns  und wollten, dass wir etwas von ihrem Kunsthandwerk kauften.











Nach dem Essen fanden wir einen netten Herren, der uns zurueck nach Barichara bringen sollte. Es wurde eine abenteuliche, witzige Fahrt in diesem schoenen Gefaehrt aus den 60ern. Kann man es noch Auto nennen? :)



Ja genau, 8 Leute. Laut dem Fahrer, ist er aber auch schon mal mit 10 gefahren.

Die Jugend sitzt gerne eng.

Tachometer? Wer braucht das schon? Kann doch genauso gut als Bilderrahmen dienen :)


Als wir losfahren wollten und wir den Fahrer darauf aufmerksam gemacht haben, dass hinten der Kofferraum noch auf ist, meinte er nur: "Nein, nein, das muss so, hinten sitzt doch noch mein Amigo drin!"

Und als wir anhielten, um zu tanken, konnten wir uns selbst ueberzeugen.


Ganz spontan fragten wir ihn, ob er uns auch gleich nach San Gil zurueckbringen wuerde. Er willigte ein und nutzte dann die Gelegenheit, um mit seinem Amigo noch ein Bierchen trinken zu gehen. Wir warteten noch kurz im Hostel und fuhren dann die Nacht durch zurueck ins kalte Bogotá.

Mit neuer Kraft zurueck, liebe Gruesse, eure Janka!