Samstag, 23. März 2013

Kaffeezone, Weltstadt des Salsa und Stadt des ewigen Fruehlings

HALBZEIT. So vergeht die Zeit. Zurueck in Bogotà mit neuer Motivation und Ideen. Zwei intensive Wochen, die mir gut taten, indenen wir viel Zeit hatten zum reden, zum reflektieren, zum Rat geben und um Rat zu bekommen. Viel Input, viel Output.
Bevor das eigentliche Seminar anfing, hatten wir Bogotanos noch drei Tage Zeit, um zu reisen. Wir entschieden uns fuer die Kaffeezone, die zwischen Cali und Medellin liegt. Wir kamen also in Cali an und sind gleich weitergefahren nach Salento, eine kleine suesse Stadt, die sehr vom Tourismus lebt. An den Wochenenden gibt es mehr Touristen als Einheimische. Alles ist sehr schoen hergerichtet, aber eben sehr nach dem Geschmack der Touristen, so richtig schoen klischeemaessig. Viele Kunsthandwerklaeden, Cafes, Restaurantes, stilvoll eingerichtet, so wie es wohl kaum ein Kolumbianer einrichten wuerde. Aber: Es zieht eben die Touris an. Doch nicht nur das kleine Doerfchen an sich ist das was die Leute aus aller Welt anzieht, sondern auch das 15 km entfernte Valle de Cocora mit seinen beruehmten Wachspalmen, die ueber 60 Meter hoch werden koennen und somit die hoechste Palmenart der Welt ist. Wir machten eine 7-Stuendige Wanderung durch das Valle de Cocora und genossen die tolle Aussicht. Ganz am Schluss kamen wir dann in DAS Tal, indem einfach so mittendrin, wie fehlplatziert diese Giganten standen, einzeln oder als Waeldchen, zu hunderten...Ein wirklich wahnsinniges Naturschauspiel.










Am anderen Tag sind Joana und ich zu einer nahegelegenen Kaffeefinca gelaufen, wo uns Don Elias, der Campesino, freundlich begruesste und uns eine Privatfuehrung durch seine Finca gab. Diese ist wirklich sehr klein, aber es reicht um davon einigermassen bescheiden leben zu koennen. Aber genau das war das Problem. Zur gleichen Zeit, inder wir in Salento waren, gab es einen bis heute andauernden Streik der Kaffeebauern im ganzen Land. Strassen wurden blockiert, es gab Aufmaersche und keiner wusste oder weiss bis heute nicht, inwieweit der Streik noch ausarten wird.



Kaffee ist das traditionsreichste Exportprodukt Kolumbiens. Er ist beruehmt fuer seine hervorragende Qualitaet und seinem guten Geschmack. Die klimatischen Bedingungen sind perfekt und ermoeglichen im Jahr bis zu drei Ernten. Kolumbien ist der viertgroesste Produzent weltweit. Doch oft koennen die Kaffeebauern nicht davon leben, weil die Grosskonzerne, die den Kaffee aufkaufen, ihnen so wenig Geld dafuer geben, dass sich Aufwand und Nutzen fuer die Bauern schon garnicht mehr lohnt.Also beim Kauf immer schoen auf das Fairtrade-Siegel achten!! Das koennte der erste Schritt sein.
Don Elias ist ein Kaffeebauer aus dem Bilderbuch und zeigte uns den gesamten Kaffeeherstellungsprozess: wir ernteten, entschaelten, wuschen, trockneten und roesteten anschliessend die Bohnen. Zum Schluss tranken wir noch gemuetlich einen Kaffee zusammen. Ich fragte ihn, ob er mit jeden seinen Gaesten nach der Fuehrung Kaffee trinkt und wie viel Tassen dass dann insgesamt an einem Tag sind. Er meinte ja, er trinke so ca. 6 Tassen am Tag, aber nur sehr leichten.



zum trocknen
Zwei Sorten und vorn die Frucht und hinten die Bohne


Geroestet und ungeroestet
Gegen Monokultur-Exotisches auf der Finca (Hier:Kiwi)
Eine kleine Ananas
...und eine groessere.



Am Donnerstag fuhren wir zurueck nach Cali, wo wir noch einmal in einem Hostel schliefen und Salsa tanzen gegangen sind. In Cali ist der Salsa eine Lebenskultur- oder besser der Herzschlag der Stadt. Schlendert man am Abend durch die Gassen, hoert man in seinem Umfeld immer den Rhythmus der Salsa. Wir waren insgesamt dreimal tanzen. Es heisst, die Caleños haben ihren eigenen Stil entwickelt, der sehr viel schneller ist, als der normale und die Schritte auch nicht nach vorn oder zur Seite gehen, sondern mehr schraeg. Da sie diesen Stil aber auch hier in Bogotà tanzen, war ich auch darauf vorbereitet und konnte ohne Probleme das Tanzbein schwingen.

Am Samstagmorgen fing dann offiziell unser Seminar an. Dazu kam Andreas von unserer Organisation aus Deutschland zu uns. Da er mehr Zeit in Lateinamerika verbringt als in Deutschland und auch die Zwischenseminare fuer die Freiwilligen der anderen Laender durchfuehrt und das schon jahrelang, hatte er viele nuetzliche Kontakte, die unser Programm fuellen sollten. Wir besuchten eine riesige und toll ausgestattete Waldorfschule, wo auch eine unserer Freiwilligen arbeitet. Dort trafen wir uns mit einem Geschichts- und Politiklehrer, der uns ueber die jetzige Situation aufklaerte, denn eigentlich war ein Treffen mit drei Indigenen aus einem Bergdorf naehe Cali angedacht, doch die waren wegen des Streiks verhindert gewesen.
Auch ein Besuch in Villa Rica, einem Dorf ca. eine Stunde von Cali stand auf der Kippe. Wir wussen nicht, ob uns die Strassenblockaden den Weg versperren und wenn nicht, ob wir am Abend ueberhaupt wieder zurueck nach Cali kommen wuerden. Aber alles ging gut und wir verbrachten einen schoenen Tag im heissen Villa Rica. Auch hier waren wir aufgrund der Kontakte von Andreas. Villa Rica ist ein Palenque-Dorf. Das heisst hier leben fast ausschliesslich Nachkommen ehemaliger afrikanischer Sklaven. Und das merkt man bis heute in Kultur, Sprache und Lebensweise. Ich habe mich das erste Mal richtig als Auslaenderin, sagen wir fremd und irgendwie komisch gefuehlt. Ich hatte das Gefuehl so viel lastet auf mir. Nicht direkt auf mir, aber auf mir durch die Blicke, durch die Gesten, durch die Atmosphaere, die mir entgegengebracht wurde, aufgrund meiner Andersartigkeit, meinem anderen Aussehen, meiner anderen Lebensgeschichte, meine Chancen und meinem Glueck, was mir einfach so geschenkt wurde. In diesem und in den meisten Doerfern drumherum gibt es viele Probleme. Arbeitslosigkeit oder sehr schlecht bezahlte Saisonarbeit auf den umliegenden Zuckerrohrplantagen, Drogen, fruehe Schwangerschaften. Kinder gelten als Statussymbol. Auch wenn du nichts hast, hast du wenigstens ein Kind, das du als DEIN bezeichnen kannst.
Hier entstand vor einigen Jahren eine Fundacion, die den Kindern regelmaessig ein Mittagessen bietet und viele Kurse in Musik und Tanz anbietet. Auch Kurse mit den jungen Muettern und mit den Dorfaeltesten, finden regelmaessig statt, damit die Kultur und und das Wichtigste was damit verbunden ist, naemlich die Musik und der Tanz, erhalten bleibt. Andreas kennt die Gruenderin und somit besuchten wir das Projekt ein Tag lang und bekamen sogar eine Auffuehrung zu sehen und machten in kleinen Grueppchen einen Rundgang durchs Dorf mit den Jugendlichen der Fundacion.
Wir machten noch einen 8-Stuendigen Ruecklick auf unsere bisherige Zeit hier in Kolumbien und schon waren die Tage rum in Cali.


Villa Rica
Villa Rica
8-Stunden Rueckblick
...uns erging es koestlich



In der Nacht von Montag zu Dienstag fuhren wir alle zusammen in die ewige Stadt des Fruehling. MEDELLIN. Warum diese Bezeichnung? Ganz einfach: weil das Klima bestaendig einfach toll fruehlingshaft ist. Das koennt ihr euch gerade in Deutschland nur so ertraeumen, was?
Medellin, eine fast 4 Millionen- Stadt, beeindruckte uns Bogotaner nicht besonders. Wir sind andere Dimensionen gewohnt. Allerdings gibt es eine Besonderheit, auf die viele andere kolumbianische Staedte neidisch sind: Es gibt eine Metro. Ja, die einzige Stadt in Kolumbien! Die anderen schlagen sich mit Bussystemen durch. Kaum vorstellbar oder? Es gibt uebrigens natuerlich auch keine Zuege hier in Kolumbien.
Aber wir sahen nicht viel von der Stadt, weil wir ziemlich weit ausserhalb, in einer anderen Waldorfschule geschlafen haben, wo auch zwei unserer Freiwilligen zur Zeit arbeiten. Und diese hat die andere Schule noch einmal getoppt: Ein riiiiiiieeesen Gelaende mit Bach und angelegtem Dschungel mit allen moeglichen Pflanzen. Ein riesen Sportplatz, ein Gaestehaus, zwei Cafeterias, ein riesen, professionelles Theater, Eurythmieraeume, Werkstaetten mit allen denkbaren Materialen: Kunstraum, Musikraum, Handarbeiten, Skulpturen...einfach Wahnsinn!
Leider verbrachten wir Bogotanos viel Zeit in der Migrationsbehoerde, weil wir noch einige Sachen mit unserem Visa klaeren mussten, das uns nicht so sehr erfreute, weil dieser ganze Prozess uns schon sehr lange sehr wuetend gemacht hat. Obwohl wir naemlich ein Vertrag mit unserer Arbeit fuer ein Jahr hatten, bekamen wir in Deutschland trotzdem nur ein Visum fuer sechs Monate. Das heisst, wir mussten es hier noch einmal fuer noch einmal viel viel Geld mit allen moeglichen Unterlagen verlaengern lassen und dann braucht man noch so einen Stempel von der Migrationsbehoerde, damit es bestaetigt ist und der kostet auch nochmal...naja aber jetzt muessten wir Ruhe haben, unsere Taschen sind leer, aber wir sind trotzdem gluecklich und dankbar, hier sein zu duerfen, obwohl es doch paradox ist, dass wir tagtaeglich hier arbeiten, 11 Stunden aus dem Haus sind, nicht bezahlt werden und trotzdem fuer ein Stueck Papier so viel hinblaettern muessen. Aber man ist diesem System machtlos gegenueber und da kann man sich aufregen wie man will, man wird nichts aendern koennen und das war schwer fuer mich zu akzeptieren.
Deswegen waren wir zum Beispiel leider nicht bei dem Rundgang durch ein aermeres Barrio von Schuelern einer Schule, auch durch Kontakte von Andreas entstanden, dabei. Auch nicht beim Besuch einer anderen Waldorfschule. Dafuer haben wir uns eine Fundacion, die mit Behinderten arbeitet angeguckt, wo momentan fuenf unserer Freiwilligen arbeiten. Auch hatten wir noch ein Treffen mit einem Politikprofessor, der uns auch noch einmal viele Sachen erzaehlen und erklaeren konnte. Zum Beispiel: Gibt es wirklich Hoffung auf Frieden in Kolumbien, jetzt, wo doch gerade die Friedensverhandlungen mit der FARC und der Regierung auf Cuba stattfinden?! Nun, fuer die FARC sind die Verhandlungen grundsaetzlich ein gutes Propagandamittel. Sie machen auf sich aufmerksam und das auf der ganzen Welt. Weil sie eigentlich grundsaetzlich zu allem an diesem Tisch "Nein" sagen, demonstrieren sie gleich noch ihre "Staerke und Macht". Warum also ueberhaupt die Verhandlungen, die von der Regierung ausgehen? Ganz einfach, mit Frieden hat das nicht viel zu tun. Zwar setzt sich die Regierung dafuer ein, einige Gebiete "Guerilla-frei" zu bekommen, aber das auch nur dort, wo es viele Bodenschaetze und besonders viele Goldminen gibt. Die Guerilla Truppen sollen also von dort verschwinden, nicht weil die Bevoelkerung darunter leidet, nein, damit multinationale Konzerne die Bodenschaetze ungestoert abbauen kann und Wirtschaft und Politik davon profitieren koennen. Der Staat ist also nur der "verlaengerte Arm" der Grosskonzerne.
Die Menschen im Land glauben nicht mehr an den Staat, weder an die Polizei. Es gibt Gebiete, in denen sind diese Gewalten ueberhaupt nicht present und es herrschen andere Regeln. Sie sind hoffnungslos und haben das Vertrauen verloren.
Zurueck zum Seminar. In den letzten Tagen haben wir uns viel mit dem Vorblick beschaeftigt. Was will ich die restlichen 6 verbleibenden Monate noch aendern, ansprechen, lernen, etc.?! Mir ist in diesen Tagen noch einmal aufgefallen, wie unterschiedliche Leben wir hier alle fuehren, wie unterschiedlich die Ansprueche und die Taetigkeiten in den Einrichtungen und wie unterschiedlich das Leben in der Freizeit. Trotz einigen Problemen auf der Arbeit, bin ich doch froh, dass es mich so erwischt hat und sehr zufrieden mit allem bin.

Schon war das eigentliche Seminar vorbei, aber gleich fing das naechste an. Von Donnerstag bis Sonntag wurden alle Freiwilligen noch zu einem Notfallpaedagogikseminar eingeladen, das auch von unserer Organisation organisiert wurde. Es trafen sich rund 170 Leute aus ganz Kolumbien aus verschiedensten Waldorfeinrichtungen oder Einrichtungen, die mit dieser Paedagogik arbeiten. Das Seminar gliederte sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil und ging drei Tage. Die Vortraege im grossen Theatersaal waren wirklich interessant und ich konnte viel an Wissen mitnehmen. Was ist ein Trauma? Wie kommt es zustande? Was sind seine Stadien und vor allem: wie kann man paedagogisch den Heilungsprozess unterstuetzen? Zusaetzlich konnte man sich noch drei Workshops aussuchen, die man gerne belegen will. Ich entschied mich fuer Kunsttherapie, Massage und grundsaetzliche spielerische Aktivitaeten fuer Kinder mit Traumata.
Auch trat ein Zirkus aus einer Schule auf, indem auch eine Freiwillige von uns mitmachte. Sie hatte eine Zirkusnummer am Tuch, was sehr beeindruckend war. Am Samstag feierten wir noch Geburtstag von einer andern Freiwilligen. Und ohne gross etwas zu organisieren wurde es ein toller Abend mit Privat-Auffuehrung der Zirkusleuten. Auch eine spontane Show, aber genau deswegen super lustig!
Am Sonntag gings schon wieder zurueck nach Bogota, um den Arbeitsalltag fortzufuehren, aber das ja nur zwei Wochen, denn heute schon beginnt die "Semana Santa" in der alle frei haben, so auch wir. Vorraussichtlich unsere letzten Ferien...
Wir hoeren uns mit dem naechsten Reise-und dann endlich auch mal Arbeitsbericht.
Schoene Ostern euch!
Eure Janka




Der Theatersaal
Tamara am Tuch
Geburtstagskind